Datteln, Mandeln, Reis, und Zitrone im Mittelalter? - Ein Stadtführungssplitter
Bayreuth, 9. November 2024
Wer bei unserer Stadtführung dabei war, wird sich vielleicht erinnern. Zuerst an die Frage: Datteln, Mandeln, Reis oder Zitrone. Welches dieser Lebensmittel hätte man im Mittelalter (im heutigen Deutschland) zu kaufen bekommen. Und dann an die verblüfften Gesichter nach der Antwort: Alle … zumindest im Spätmittelalter!
Natürlich kam prompt die Gegenfrage nach dem woher wir das denn wüssten. Die wurde von unserem Stadtführer natürlich ebenso prompt beantwortet. Allerdings fiel die Antwort recht knapp aus … und soll hier noch einmal wiederholt werden.
Woher wissen wir also, dass Datteln, Mandeln, Reis und Zitronen, aber auch Granatäpfel, Rosinen, Feigen (und vieles mehr) auf spätmittelalterlichen Märkten und damit in den Küchen verfügbar waren? Ganz einfach und eigentlich naheliegend, aus Kochbüchern! Darunter das wohl älteste mittelalterliche Kochbuch in deutscher Sprache, das "buoch von guoter spîse". Entstanden um 1350 in Würzburg und als weiteres Beispiel das "Kochbuch von Maister Hannsen des von Wirtenberg Koch". entstanden ca.1460. Man darf dabei alledings nicht aus den Augen verlieren, dass diese Kochbücher von und für die oberen Zehntausend ihrer Zeit geschrieben wurden (1). Eine Bevölkerungsschicht die es sich also leisten konnte auch in der Küche auf teure Importprodukte zurückzugreifen.
Dass sie in spätmittelalterlichen Städten und Klöstern mindestens seit dem 14. Jahrhundert auch tatsächlich und vielfach konsumiert wurden und das nicht nur von der Oberschicht, zeigt sich sowohl in Archiven wie auch bei archäologischen Grabungen. Im Neuss beispielsweise, dürfte der Verzehr von Feigen bereits im Hochmittelalter weit verbreitet gewesen sein. Zeigt sich doch dort unter 36 genommenen Fäkalienproben nur eine einzige Probe ohne Feigenkerne. Und um 1310 herum gehörten in Hildesheim. Reis, Feigen und Mandeln zu den ganz selbstverständliche Handelsgüter auf den Märkten der Stadt. Der Rat verfügte sogar ausdrücklich ihren freien Verkauf, da er in ihrem Verzehr einen allgemeinen Nutzen sah. Und schliesslich, im Jahr 1500 wurde sogar auf den Dörfern rund um Eisenach herum mit Mandeln und Rosinen gehandelt(2). In die gleiche Richtung weisen die Handelsbücher hansischer Kaufleute. In ihnen lesen sich Reis und Mandeln als ein relativ günstiges Handelsgut (3).
Ach ja! Falls wir Euch jetzt in puncto mittelalterliche Küche neugierig gemacht haben, hier paar Links die wir Euch ans Herz legen möchten. Zum einen für Einsteiger und Neugierige: De Timmermansche, Friedrich und Hildegard und der Playlist Science Ink auf dem Youtubekanal von Dr. Helmut W. Klug. Und dann noch für alle die sich so richtig reinknien wollen: Die CoReMA (Cooking Recipes of the Middle Ages) der Universität Graz. Eine riesige Datenbank mit mittelalterlichen Rezepten. Jeweils mit digitalisiertem Original und Transkription.
1) Kranich 2011, S. 378.
2) Schubert 2006, S. 155f.
3) Karg u. Jahnke 2017, S. 113.
Feuerholz für den Herd - Es kommt eben doch auf die Grösse an
Bayreuth, 21. September 2024
Again what learned!* Man muss tatsächlich keinen Baum verbrennen um an seinen Flammen eine Malzeit zu kochen!
Vielmehr reicht dazu das sprichwörtliche Kleinholz. Kleinholz, wie man es normalerweise zum Anheizen des Kamins oder Kachelofens verwendet.
Genau dieses etwa daumendick gespaltene Kleinholz ist ideal wenn um das Kochen am offenen Feuer geht. Egal ob zum Kochen in Keramik oder zum Sieden im Metallkessel. Denn man braucht tatsächlich keine armdicken Holzscheite in einem großflächige Feuer samt hoher Flammen, um in einem ca. 20 cm großen Topf zu kochen. Das währe, wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Denn zum Kochen in haushaltsüblichen Mengen reicht ein etwa handbreites Feuer von etwa 60 cm Länge vollkommen aus. Und dessen Flammen müssen auch nur bis auf Topfhöhe reichen. Viel wichtiger als hohe Flammen ist da ein gleichmässig brennendes Feuer, beim dem das Holz beim Nachlegen zügig anbrennt und so kontinuierlich Energie geliefert. Das Angenehme dabei: So kleines Holz brennt schnell an und entwickelt kaum Rauch.
Selbstredend sollten die Töpfe, den Quellen entsprechend (1), nahe den Flammen stehen, aber nicht in den Flammen!!! Ansonsten legt/brennt das Kochgut im Topf an. Darauf weist selbst ein 1890 erschienenes Kochbuch noch hin (2). Dieses Kochbuch gibt bezüglich des Kochens am offenen Feuer folgenden Rat: « (…) nicht Scheiter aufeinander thürmen (…)» um schnell fertig zu werden, sondern besser auf « (…) mäßigem Feuer allmählich (…)» zu kochen.
Und wenn Gäste kommen und es etwas mehr sein soll, an einem Herdfeuer wie hier beschrieben, finden entlang der Flammen auch problemlos vier Töpfe Platz (zwei links, zwei rechts des Feuers) und falls benötigt, kann man zusätzlich einen Kessel zwischen den Töpfen über die Flammen hängen (3) oder auf einen „Pfannenknecht“ stellen. Womit man dann problemlos 8-10 Personen satt bekommt. Wem das nicht reichen sollte, durch Verlängerung des Feuers und noch mehr Töpfe, lässt sich das Ganze leicht noch weiter nach oben skalieren.
Nebeneffekt bei der Sache mit dem Kleinholz: So ein "kleines" Feuer hat einen erstaunlich geringen Holzverbrauch.
*Fränglisch mit Loddar - Again what learned! (Hör-)Buch von Chris Boettcher. Erschienen im RIVA Verlag
1) Siehe: Folio 95r (Mendel 1) der Hausbücher der Mendelschen Zwölfbrüderstifftung
2) Aabel 1890, S. 14.
3) Siehe nochmals: Folio 95r (Mendel 1) der Hausbücher der Mendelschen Zwölfbrüderstifftung
Topf, Kessel, Grape - Who’s Who der Kochgefäße im 14. Jahrhundert
Bayreuth, 28. Januar 2024
Und was ist das denn für ein Topf? Eine Frage die immer wieder gestellt wird, sobald auf einer Veranstaltung ein Grape am Herdfeuer steht. Eine gute Frage und ein Grund für eine etwas ausführlichere Antwort. Oder besser … einen Überblick!
Töpfe (Bild 1 u. 2) dürften, gemessen an der Zahl der Funde, das wohl am häufigsten verwendete Kochgefäß gewesen sein. Sozusagen DAS Kochgefäß für jeden Tag und jeden Haushalt. Man findet sie überwiegend als Standboden-, weniger häufig als Kugeltöpfe. Wobei hier jeweils der Boden des Gefäßes namensgebend ist.
Standbodentöpfe haben dabei, ganz wie moderne Kochtöpfe, einen flachen, Standboden. Ihr Gefäßkörper ist meist gestreckt-bauchig, wobei die größte Weite oberhalb der Mitte liegt. Sie stehen auf dem Herd, den Quellen folgend, am aber nicht im Feuer (1).
Kugeltöpfe dagegen habe meist über einen fast halbkugelförmigen Gefäßboden und eine insgesamt kugelige bis birnenförmige Gefäßform. Wie sie ursprünglich erhitzt wurden ist schwer zu sagen. Zu lesen ist aber, dass sie direkt in die Flammen gestellt wurden (2). Leider fehlen uns dazu die Abbildungen um dies zu verifizieren. Im Versuch hat sich aber gezeigt, dass sie wie die Standbodentöpfe, dicht am Feuer oder auch am Rand der Glut am besten funktionieren.
Beide Topfarten bestehen ausnahmslos aus Keramik. Und beide Arten dienten nicht nur zum Kochen, sondern konnten auch als Vorratsbehälter Verwendung finden. Am Fund weisen dann eingebrannte Speisereste und/oder Rußspuren vom Herdfeuer bzw. deren Fehlen, auf den ehemaligen Verwendungszweck hin (3).
Ein Grapen (Bild 3), hier aus Bronzeguss, ist ein dem Kugeltopf ähnliches Kochgefäß auf drei angeformten Füßen. Diese heben den eigentlichen Gefäßboden jedoch nur knapp oder nur einige wenige Zentimeter über die Herdplatte. Während des Kochvorgangs steht der Grapen, den Bildquellen zufolge, an der Glut am Rand des Feuers (4). Grapen zeigt das Fundgut sowohl aus Keramik als auch in Metallguss. Bei Keramik meist nur als Wandungsscherbe, mit einem der für sie typischen Füßen. Metallenen Exemplaren dagegen begegnet man oft auch völlig unbeschädigt.
Kessel (Bild 4) wiederum bestehen aus Metallblech. Meist wohl aus Messing- oder Bronzeblech. Seltener auch, wie hier im Bild, aus Eisenblech. Meist sind sie größer als Töpfe und Grapen. In der Gefäßform eher zylindrisch mit einem mehr oder weniger gewölbtem Boden und ähnlich einem Eimer, mit Henkel zum Tragen und ggf. Aufhängen am Kesselhaken. Die Befeuerung erfolgt von unten. Auf einem Dreibein über dem Feuer stehend oder an einem Kesselhaken über den Flammen des Herdfeuers hängend (5).
Und wenn ihr jetzt wissen wollt, was man in den verschiedenen Kochgefäßen zaubern kann, oder wie man sie richtig benutzt, dann empfehlen wir euch die Homepage von De Timmermansche. Dort findet ihr dann neben jeder Menge Kochrezepte, noch mehr Wissenswertes über mittelalterliche Kochtöpfe, eine Anleitung zum Kochen in Keramik und den Beweis, dass Kugeltöpfe nicht umfallen.
1) Siehe: Mendelsche Zwölfbrüderhausstiftungen (Mendel I), Folio 95r
2) Gareiß-Castritius 1997, S. 21
3) A. Bischof 2010, S.50
4) Siehe: Mendelsche Zwölfbrüderhausstiftungen (Mendel I), Folio 142r
5) Siehe nochmals: Mendelsche Zwölfbrüderhausstiftungen (Mendel I), Folio 95r
Die Nürnberger Fleischbrücke - … und die Sache mit dem Ochsen
Bayreuth/Nürnberg, 16. Dezember 2023
Warum liegt da ein Ochse auf einem Treppenportal an der Fleischbrücke in Nürnberg? Und warum sieht der so anders aus, wie die Rinder die wir hier kennen? Wir haben mal nachgeschlagen. Und was soll man sagen, der Name der Brücke verrät es eigentlich schon.
An dieser Stelle stand seit 1570-71 das erste steinerne Fleischhaus Nürnbergs. Davor standen hier (und dahinter) seine mittelalterlichen Vorgänger, die Fleischbänke. Das Ochsenportal, wie es heißt, wurde jedoch erst später (1599) als Eingangstor zum Fleischhaus errichtet. Leider wurde der Bau im 2. Weltkrieg völlig zerstört, das Portal schwer beschädigt. Das heutige Gebäude steht auf den Grundmauern seines historischen Vorgängers und ist diesem nicht ganz unähnlich. Das Ochsenportal wurde 1950 wiederhergestellt (1).
Durchschreitet man das Portal und geht noch einige Meter weiter, steht man auch heute noch „Zwischen den Fleischbänken“. So der Name des Platzes, der heute überwiegend gastronomisch genutzt wird.
Zurzeit, es ist Advent und der Christkindlesmarkt ist in vollem Gange, steht hier, noch bis zum 31. Dezember, die Nürnberger Feuerzangenbowle. Und wegen der waren wir auch hergekommen.
Aber zurück zum Ochsen, der dem Portal, den Namen gibt. Warum sieht der so anders aus, mit seinen gewaltig ausladenden Hörnern? Ganz einfach! Er stellt ein ungarisches Graurind dar. Der Fleischlieferant Nr. 1 des Spätmittelalters, der frühen Neuzeit und darüber hinaus, in Süddeutschland. Diese wurden mindestens seit dem 14. Jahrhundert über die weite Strecke von Ungarn via Österreich nach Süddeutschland getrieben. Unter anderem auch nach Nürnberg.
Nachweisen lässt sich der Handel mit ungarischen Rindern für Nürnberg erstmals im Handlungsbuch für 1304–1307, der Familie Holzschuher, bereits 1305. Dort für den Handel mit ungarischen Ochsenhäuten. Ebenso 1358-60. Hier lassen sich die Holzschuher als Finanzier eines Ochsenkaufs in Budapest fassen (2).
Seinen Höhepunkt erreichte der ungarische Ochsenhandel in den 1570er und 80er Jahren mit durchschnittlich 150.000 bis 200.000 exportierten Tieren pro Jahr (3).
Um 1600 erreichte die jährliche Anzahl allein nur für Deutschland die 100000 Tiere. Hinzu kamen dann noch Tiere aus den anderen Regionen Osteuropas sowie der Schweiz und Dänemark (4).
Allein für Nürnberg wird für das 17. Jahrhundert eine Zahl von jährlich 70.000 verkauften Tieren angenommen (5). Sicher nicht nur aus Ungarn. Denn hier in Süddeutschland bezog man auch Rinder aus Polen, Ungarn, Rumänien, von der Moldau und der Krim(6).
Dies alles um den enormen Bedarf der deutschen Städte (nicht nur Nürnbergs) zu decken, der wohl nicht aus dem eigenen Umland zu decken war (7). Zumal der Fleischverbrauch pro Person und Jahr, in der Zeit um 1600, in den Städten mit 50 kg angesetzt/geschätzt wird (8).
Und wer jetzt neugierig geworden ist und mehr über den Ochsenhandel in Mittelalter und Neuzeit erfahren möchte, dem empfehlen wir Euch die Homepage EUROPÄISCHE OXENWEGE - Auf den Pfaden der Herdentriebe von Ungarn nach Bayern und dort den Buch-Download Der Europäische Oxenweg damals und heute - Ein historischer Reiseführer. Herausgegeben vom Wittelsbacher Land e.V..
1) Siehe Wikipedia - An den Fleischbänken
2) Malcher 2016. S. 133
3) Ebd. S. 149
4) Hilpert 2009, S. 19
5) Ebd., S. 30
6) Malcher 2016, S. 126
7) Hilpert 2009, S. 18
8) Vangerow 2006, S. 90
Bild, Ochsenportal: Daderot via Wikimedia Commons, public domain
Bild, Ungarisches Graurind: Nl74 via Wikimedia Commons, public domain
De Timmermansche kocht - Nix da Eintopf
Bayreuth, 12. August 2022
Es ist schon ein paar Tage her, da hatten wir wieder mal im Geschichtspark Bärnau - Tachov vorbeigeschaut und, man kennt sich, da war auch De Timmermansche. Diesmal nicht mit ihrer Darstellung, sondern für die Grabungsfirma IN TERRA VERITAS vor der Kamera. In Zivil. Ein Beitrag für deren YouTube-Kanal war gerade in Arbeit. Der ist inzwischen online. Schaut doch mal rein. Apropos reinschauen, auch das ITV Magazin, das Onlinemagazin der Firma, ist immer einen Blick wert. Und der Geschichtspark Bärnau-Tachov sowieso.
Bild: © Claudia Zimmermann