Die Mietwohnungen im Badhaus aus Wendelstein - Schöner wohnen im Spätmittelalter
Bayreuth, 16. Juni 2024
Schau schau ein Badhaus. Im Sommer 2022 eröffnet, steht im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim ein (spätmittelalterliches) Badhaus aus dem Jahr 1450. Und das Beste daran: Das Bad im Erdgeschoss ist funktionsfähig rekonstruiert. So weit so sensationell und unseres Wissens nach einmalig. Vor allem, weil es jedes Jahr zu den Mittelaltertagen in Betrieb genommen und von den Darstellern genutzt wird. So genutzt, dass man als Besucher, einen ganz hervorragenden Einblick in den tatsächlichen Badebetrieb eines solchen Badhauses werfen kann. Na wenn dass kein Grund ist, endlich mal, oder endlich mal wieder, die Mittelaltertage im Fränkische Freilandmuseum zu besuchen, dann wissen wir auch nicht.
Aber es geht fast noch besser. Denn im Ober- und Dachgeschoss des Badhauses, neben der Wohnung des Baders, Mietwohnungen. Dabei ist leider nur die Wohnung des Baders vollständig rekonstruiert und eingerichtet. Die eigentlichen drei Mietwohnungen sind dagegen nur teilrekonstruiert. Aber immerhin so weit, dass sie einen guten Eindruck von den Wohn- und Platzverhältnissen in einer mittelalterlichen Mietwohnung vermitteln.
Dazu ein paar Zahlen dazu (1): Die Wohnung des Baders im Obergeschoss (Wohnung 1) hat 85,5 Quadratmeter, die Wohnungen 3 und 4 haben jeweils knapp 43 Quadratmeter. Allesamt bei einer Raumhöhe von 3,07 Metern. Wie und von wem der Flur vor den Wohnungen 3 und 4 und die Kammer am Ende des Flurs genutzt wurden ist unbekannt. Möglich wäre eine Nutzung, als erweiterter Wohnraum, als Lagerfläche oder Arbeitsbereich. Letzteres wäre zum Beispiel denkbar wenn eine Wohnung an einen Handwerker vermietet war und dieser sein Handwerk zu Hause (im Flur vor seiner Wohnung) ausgeübt hat. Wohnung 2 im Dachgeschoss hat dann noch einmal 47,5 Quadratmeter bei einer Raumhöhe von knapp 2,5 Metern.
Erschlossen sind die Wohnungen in Ober- und Dachgeschoß ausschliesslich über eine Aussentreppe. Diese führt auf eine Altane und diese zu den drei Haustüren. Die erste Haustür öffnet sich in die Wohnung des Baders (Wohnung 1), die mittlere Tür zu einem innenliegenden Treppenhaus das die Wohnung 2 im Dachgeschoss erschließt und die letzte Haustür öffnet den Zugang zu den Wohnungen 3 und 4.
So, und jetzt setzt das mal in Kontext zum finsteren Fernsehdoku-Mittelalter mit seinen ach so schrecklichen Wohnverhältnissen. Passt irgendwie nicht. Schon gar nicht, wenn man liest, wer die Wohnungen einst gemietet hatte. Für die Zeit von 1474 bis 1565 ist das für das Wendelsteiner Badhaus in den Jahres-Manualen des Nürnberger Heilig-Geist-Spitals überliefert. Teilweise, wenn auch selten, sind dort auch die Berufe der Mieter überliefert. Kürschner, Büttel, Richterknecht und Gerichtsknecht finden sich darunter. Allesamt wohl eher der Unterschicht ihrer Zeit zuzuordnen. Aber offensichtlich doch in der (finanziellen) Lage, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und dabei gar nicht so schlecht zu wohnen.
1) Alle Daten aus: Gottschalk, Dieter: Das Badhaus aus Wendelstein. In: Krieger, Julia (Hrsg): Wohnen ohne Eigentum - Mieten und Bauen in Land und Stadt seit dem Mittelalter in Franken. Aus der Reihe: Geschichte und Kultur in Mittelfranken, Band 10. Baden Baden 2022. S. 141-160.
Mietwohnen im Mittelalter - Kurz und knapp
Bayreuth, 28. April 2024
Nicht schon wieder! Doch! Aber erklären können wir es uns auch nicht. Warum hält sich diese Mär so hartnäckig. Die Mär im Mittelalter hätte man entweder im eigenen Haus oder … ja wo eigentlich … gewohnt. Unter der Brücke? Gegen dieses Vorurteil haben auch unsere Blogbeiträge vom 18. März und dem 29. August 2023 wenig geholfen. Macht aber nix, wir können nachlegen … mit ein paar Zahlen (1):
In Rostock wohnten 1522 (zugegeben, nicht mehr Mittelalter) 57% aller Haushaltungen zur Miete.
In der Kölner Pfarrei St. Columba standen für 1487 161 vom Eigentümer bewohnten Häusern 661 vermietete Häuser gegenüber. In Dresden lebten 1440 und 1453 20 - 22% zur Miete. In Görlitz waren es 1427 in der Stadt 38,9% und in der Vorstadt 18,9% der steuerpflichtigen Mieter. 1472 waren es dann 47,4% in der Stadt und 15,8% in der Vorstadt.
Ach ja! In den nächsten Wochen gibt es, hier bei uns im Blog, noch mehr Nachschub zum Thema Mietwohnen. Dann frei nach dem Motto "Schöner wohnen im Spätmittelalter". Inklusive eines Wegweisers zu drei spätmittelalterlichen Mietwohnung "zum Anfassen".
1) Maschke, Erich: Städte und Menschen - Beiträge zur Geschichte der Stadt, der Wirtschaft und Gesellschaft 1959-1977. Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft Nr. 68. Wiesbaden 1980. S. 326f.
Zur Miete im Mittelalter? Aber klar! - Was für eine Frage
Bayreuth, 29. August 2023
Neulich hatten wir das Vergnügen eine Stadtführung in Nürnberg zu besuchen. Und bei dieser kam eine Frage aus dem Publikum, die uns bekannt vorkam und deren Antwort auch dort ungläubige Gesichter erzeugte. Die Frage: Wie oder wo haben die Leute im Mittelalter gewohnt, die kein eigenes Haus besaßen? Die Antwort … natürlich völlig richtig: Zur Miete! Denn kurioserweise gab es die selbe Frage, die selbe Antwort und die selben ungläubige Gesichter bei der von uns für den Historischen Verein von Oberfranken durchgeführten Stadtführung Anfang August.
Grund genug für uns, die Frage hier noch einmal aufzugreifen und mit einem Lesetipp versehen, etwas ausführlicher zu beantworten. Für all jene, die es genau wissen wollen … oder immer noch ihr ungläubiges Gesicht auf haben.
Aber eigentlich hat uns die Reaktion nicht wirklich gewundert. Schließlich wird das Wort "Miete" in Zusammenhang mit der Wohnraumüberlassung erst ab dem 18. Jahrhundert allgemein gebräuchlich. Bis dahin sprach man weiterhin vom "Zins", nannte die Mietshäuser "ZInshäuser" und die Mieter "Hausgenossen", "Hintersassen", "Inwohner" oder eben "Zinsleute", um nur einige Begriffe zu nennen. Und dass, obwohl sich die Rechtsform „Mieten“ von Wohnraum in Köln bereits für 1159 nachweisen lässt. Wobei hier der beginnende Übergang von der, vorher üblichen "Leihe" gegen "Zins"(zahlung), hin zur "Miete" bei der Überlassung von Wohnraum auf Zeit (als Rechtsform), markiert ist. Für Nürnberg zum Beispiel, gelingt dieser Nachweis erst 1327. Was in Deutschland in etwa auch die Zeit markiert, in der Wohnen zur Miete, bereits Praxis geworden ist. Wobei zu Anfang und noch ins ausgehende Mittelalter hinein, das Wohnen in Herdgemeinschaft (ein oder mehrere Mieter und der Vermieter teilen sich Feuerstelle/Küche und Stube) üblich war.
Das wiederum wendete sich noch im 15. Jahrhundert beginnend, hin zum Wohnen bzw. Mieten abgeschlossener Wohnungen oder ganzer Häuser, so wie wir es heute kennen. Ein Vorgang, der erst im 18. Jahrhundert seinen Abschluss fand.
Und für alle die genau wissen wollen, woher wir das wissen: Wohnen ohne Eigentum - Mieten und Bauen in Land und Stadt seit dem Mittelalter in Franken. Von Julia Krieger (Hrsg.). Aus der Reihe: Geschichte und Kultur in Mittelfranken, Band 10. Erschienen 2022.
Ein spätmittelalterliches Mietshaus - Ein Rechercheschnipsel
Bayreuth/Nürnberg, 18. März 2023
Schaut mal was wir gefunden haben. Ein Miets(doppel)haus von 1432 in Nürnberg. Gefunden haben wir es allerdings nicht in Nürnberg selbst, sondern in: Wohnen ohne Eigentum - Mieten und Bauen in Land und Stadt seit dem Mittelalter in Franken. Von Julia Krieger (Hrsg.). Aus der Reihe: Geschichte und Kultur in Mittelfranken, Band 10. Erschienen 2022.
Erbaut wurde es als Etagenwohnhaus. So gebaut, das Erdgeschoss und Obergeschoss unabhängig voneinander vermietet werden konnten. Es ist bei gespiegelten Grundrissen in der Mitte geteilt. Bauzeitlich bestanden die jeweiligen Erdgeschosse aus einem einzigen großen Raum, vermutlich als Werkstatt zu nutzen. In den Obergeschossen lagen Wohnungen. Entlang der Mittelwand die Flure welche die jeweils aussen liegende Stube, Küche und Kammer erschlossen.
Erreichen konnte man die Obergeschosse ursprünglich über Treppen in den Fluren. Ob diese bauzeitlich von der Straße aus oder über die Werkstatt zu betreten waren, muss ungewiss bleiben. Üblich wäre gewesen, das die Treppe zum Obergeschoß und das Untergeschoss durch separate Haustüren zugänglich waren.
Zwischenzeitlich waren wir natürlich vor Ort und haben uns ein Bild gemacht und es euch mitgebracht. Erdgeschoß und 1. Obergeschoss datieren wie gesagt auf 1432. Das 2. Obergeschoss und das Zwerchhaus auf 1873. Ebenfalls interessant, unter den linken Fenstern im 1. Obergeschoss, Putzreste des 17. bis 19. Jahrhunderts. Lediglich konservatorisch gesichert und im Originalzustand belassen. Gerettet wurde das Gebäude dankenswerterweise vom Altstadtfreunde Nürnberg e.V. und dann von 1990 bis 2002 saniert. Das im Bild rechte Nachbargebäude übrigens, es datiert im Kern auf 1401, wurde ebenfalls vom Altstadtfreunde Nürnberg e.V. gerettet und saniert.
Ach ja! Das Ganze ist Teil der Antwort auf die Frage: Wo und wie wohnten die Einwohner spätmittelalterlicher Städte, sofern sie kein eigenes Haus besaßen? Die Antwort: Zur Miete in Herdgemeinschaft oder (wie auch heute) als Mieter einer Wohnung bzw. eines Hauses. In Herdgemeinschaften ist die Mietsache eine Kammer im Haus des Vermieters. Wobei sich Mieter und Vermieter, Herd und Stube teilten.
Nachweisen lässt sich die Überlassung von Wohnraum zur Miete erstmals für 1159 in Köln. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts kann man das Mietwohnen dann bereits als gängige Praxis annehmen. In diese Zeit fällt auch deren erster Nachweis für Mieten bzw. Vermieten hier in Franken. Die Nürnberger Polizeiordnung von 1327 macht es für die Stadt Nürnberg indirekt fassbar.