Einbaumfähren - Ein Evergreen
Bayreuth, 21. April 2024
Vor ein paar Wochen waren wir mal wieder im Historischen Museum in Bamberg. Und schaut mal, was wir dort "gefunden" haben. Einbäume! Oder wie wir zu unserer Überraschung zu lesen mussten: Einbäume oder Schwimmkörper von Fähren. Datiert: Mittelalter bis Neuzeit.
Erstaunlich, Einbäume im Mittelalter und dann auch noch als Schwimmkörper für Fähren. Für uns waren Einbäume bisher eine Sache der Ur- und Frühgeschichte und Fähren, sehr flache und sehr breite Bote/Plankenschiffe mit niedrigen Seitenwänden. Prahm oder Nachen vielleicht. Aber nicht unbedingt, so wie es aussieht. Eine kurze Recherche hat uns da eines Besseren belehrt (1). Es gab eben auch solche, sogenannte Einbaumfähren. Bestehend aus zwei oder mehr Schwimmkörpern, die mittels Querhölzern zusammengesteckt und/oder mit Seilen vertäut waren. Obenauf, quer zu den Schwimmkörpern und mit diesen verzurrt, eine Lage, dicht an dicht liegender Holzplanken. Die Schwimmkörper haben meist einen rechteckigen, annähernd quadratischen Querschnitt und sind ebenso rechteckig ausgehauen. Es kommen auch schräg gestellte Seitenwände oder rund belassene Schwimmkörper vor. Bug und Heck behalten meist die Breite des Schwimmkörpers, wobei der Bug mehr oder weniger spitz abgeschrägt war. Das Heck hingegen wurde gerade abgeschnitten, abgerundet oder ähnlich dem Bug gestaltet.
Solche Einbäume wurden übrigens in ganz Mitteleuropa gefunden. Besonders konzentriert dabei am Main.
Hier liegen 114 Funde vor (Stand 2022). Davon sind 60 Exemplare dendrochronologisch datiert worden. Das Zeitfenster reicht dabei von 260 v. Chr. bis 1633, mit einem Schwerpunkt im 14. Jahrhundert. Dazu konnten im schiffbaren Bereich des Mains und für die Zeit vor 1300 auch 13 Fährnennungen dokumentiert werden (2). Bis 1500 waren es bereits 53, um 1700 über 80 und um 1900 etwa 130. Allerdings wird in den Dokumenten der Fährtyp nicht angegeben, so dass der Anteil solcher Einbaumfähren am Fährbetrieb ungeklärt bleiben muss.
Bemerkenswert ist, dass diesen Fährstellen im Mittelalter nur 9 Brücken gegenüberstanden. Eine Zahl, die sich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nur geringfügig erhöht. Erst danach nahm der Brückenbau Fahrt auf. Vor allem gegen Ende des Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Eine Entwicklung die fast das Ende der Fähren besiegelte.
Dass es sich bei derartigen Einbäumen um die Schwimmkörper von Fähren handeln könnte, wurde bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts vermutet. Die vorgefundenen Bohrungen und Laschen in den Außenwänden (mittleres Bild), durch welche man mehrere Schwimmkörper mit Weidenruten und Knüppeln miteinander verbunden und vertäuen werden könnte, legen diese Vermutung nahe. Ebenso die Nuten und Bohrungen an Bug und Heck anderer (in Bamberg nicht gezeigter) Fundtypen.
Ethnologische Beobachtungen bestätigen dies an Beispielen derartiger Wasserfahrzeuge aus mehreren zusammengesetzten Einbäumen, die noch im 19. und 20. Jahrhundert in Polen in Gebrauch waren, auch wenn sie sich im Detail zum Teil deutlich vom archäologischen Fundmaterial unterscheiden und offenbar aber nicht mit einem Plankenbelag überdeckt waren. Ebenso in Italien, Portugal und auf dem Balkan des 20. Jahrhunderts. Gekoppelte Einbäume die als Fähren genutzt wurden.
Ach ja! Die Sonderausstellung "Im Fluss der Geschichte. Bambergs Lebensader Regnitz" in der die Einbäume zu sehen waren, endete am 7. April 2024. Sie musste der nächsten Sonderausstellung des Historischen Museums Bamberg weichen. "Vor 1.000 Jahren: Menschen(leben) am Hof von Kunigunde und Heinrich II." anlässlich des 1000. Todestages von Kaiser Heinrich II beginnt am 25. Oktober 2024.
Zum Schluss noch ein Lesetipp für alle die jetzt neugierig geworden sind und noch mehr über Einbaumfähren wissen wollen. Werft einen Blick in die Fußnote. Der Titel dürfte derzeit (und bis auf weiteres) das Standardwerk zum Thema sein.
1) Kröger, Lars: Fähren an Main und Neckar - Eine archäologische und historisch-geographische Entwicklungsanalyse mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Verkehrsinfrastruktur. Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Band 160. Mainz 2022. URL: https://books.ub.uni-heidelberg.de/index.php/propylaeum/catalog/book/1077. Stand 15. April 2024.
2) Eine Zahl, die nicht vollständig sein dürfte, muss man doch davon auszugehen, das ein erheblicher Teil der Akten die Zeit nicht überdauert hat.
Bilder: Einbäume oder Schwimmkörper von Fähren im Historischen Museum Bamberg. Veröffentlichung auf bayreuth1320.de mit freundlicher Genehmigung des Historischen Museum Bamberg.
3D-Rekonstruktionen: JBWst für www.bayreuth1320.de
Straßen(auf)bau in der mittelalterlichen Stadt - Über Stock und Stein
Bayreuth, 19. November 2023
Noch so ein Stadtführungssplitter: Die Gassen und Wege in der Stadt waren grundlose Morastpisten! Zzgl. dem Unrat den Jedermann aus dem Fenster auf die Straße warf … und natürlich dort liegen lies. Stimmt nur so halb könnte man sagen. Vor allem Letzteres war genau so nicht die Regel und wurde auch nicht einfach so hingenommen. Wunderbar nachzulesen u.a. in Kapitel VII - Gesundheits- und Reinlichkeitspolizei, der Nürnberger Polizeiordnung des 13. bis 15. Jahrhunderts.
Aber zurück zum Morast. Es ist kaum anzunehmen das man mindesten seit den Karolingern zwar das von den Römern "geerbte" Fernstraßennetz instand hielt (Szabó, S. 77), innerorts dagegen alles verkommen lies und sich dem Status quo hingab. Vielmehr dürfte auch hier Instandhaltung und damit eine Verbesserung der "Straßen"verhältnisse betrieben worden sein. So ein zur langfristigen Verbesserung der Wegesituation gemachter Einbau ließ sich, als Beispiel, in Emden für das 9. und 10. Jahrhundert archäologisch nachweisen (Szabó, S. 74) und damit eigentlich, mittelalterlicher Straßen-, oder vielleicht besser Wegebau. Aber wie sahen diese Baumaßnahmen aus? Wie waren Gassen und Wege in der Stadt konstruiert bzw. aufgebaut? Das liest sich hervorragend in: Die Straßen in Deutschland und Italien im Mittelalter, von Thomas Szabó. Genauer und hier für uns besonders interessant, das Kapitel 1a, "Der Straßenbau in Deutschland - in den Städten". Viel Spaß beim lesen.
Und wenn ihr euch jetzt noch mal ein Bild davon machen wollt, wie so eine Straße/Gasse im Befund aussieht, schaut mal HIER in: Alte und neue Straßen - Die archäologischen Untersuchungen im Sanierungsgebiet Dresden-Altstadt (Bauabschnitt D). Oder vielleicht noch HIER in: Binnenstruktur und öffentliche Räume in der mittelalterlichen Stadtwüstung Nienover - Neue Erkenntnisse zum mittelalterlichen Straßenbau im Weserbergland von Hans-Georg Stephan. Auch hier, viel Spaß beim lesen.
Im Bild: Bohlenweg im Geschichtspark Barnau-Tachov 2016.
Alle Links im Text, Stand 19. November 2023.